09November
2016

Was gibt's Neues?

Nun will ich mich nach knapp zwei Wochen doch mal wieder bei Euch melden, der Alltag hat sich langsam eingependelt:

Die Zeit in der Schule macht mir weiterhin viel Spaß, meine Klasse wächst mir immer mehr ans Herz und so langsam lerne ich auch die etwas komplizierteren afrikanischen Namen und vor allem deren höchstkomplexe Aussprache. Während der Klang von Afrikaans meinen spitzen Ohren immer weniger fremd wird und ich mittlerweile auch die Lästerein und Erörterungen der wichtigen oder auch minder wichtigen Dinge des Lebens im Lehrerzimmer belauschen kann - ich tue natürlich gelegentlich so, als würde ich überhaaaupt nicht verstehen oder erahnen können, worüber gerade gefachsimpelt wird -, versuchen die Kinder mich fleißig in ihre Muttersprache Setswana einzuweihen. Doch hier habe ich schnell kapituliert, denn in meinem Sprachenrepertoire findet sich keine ähnliche Sprache, über die ich mir auch nur irgendetwas im Ansatz hätte herleiten können. Also doch lieber die Lehrer in Afrikaans belauschen, das klingt nämlich wie ein putziger Mix aus Englisch und Holländisch, bei dem an jedes Wort ein "i" angehängt wird.

Auch die Nahrungsaufnahme hat sich mittlerweile eingependelt: an das übertrieben gesüßte Mittagessen hat man sich gewöhnen können, nicht aber an die Abwesenheit von Brot! So backen wir nun alle paar Tage unser eigenes, sogar mit leckerer Kruste! Da war ein Salamibrot schon ein Highlight in unserer sonst sehr stark von Nudeln, Joghurt und Feta dominierten Ernährung.

Da Essen auch Dreck macht, haben wir in unserer WG kurzerhand einen Spülplan erstellt, denn die zeltlagerbewährte Jeder-spült-seinen-eigenen-Teller-Taktik ist, was ja eigentlich schon absehbar war, nicht aufgegangen. So hat man nur alle vier Tage über die Sauberkeit der Küche zu wachen. 

An den anderen Tagen bleibt dann genug Zeit, um sich mal wieder für Sporteinheiten zu motivieren, um der hier wohl einem jeden drohenden Gewichtszunahme  zumindest ein klein wenig entgegen zu wirken. Hier muss ich feststellen, ich habe mich da doch im Vergleich zu Deutschland um hundert Prozent (von null auf hundert, haha ?) gesteigert und sollte ich doch das ein oder andere Gramm mehr mit nach Deutschland bringen, ist das ganz sicher die aufgebaute Muskelmasse! ??

Doch dass ich mich hier wirklich über Luxusproblemchen auslasse, ist mir gerade auf dem heutigen Weg von der Schule zum Mittagessen im Kinderheim aufgefallen: Ich marschiere also Richtung Lunch, als mir ein kleiner Junge aus meiner Schule hinter mir auffällt. Ich habe ihn gefragt, ob er auch zum Kinderheim muss, er meinte aber, nein, er laufe zum Krankenhaus (halbe Stunde Fußweg). Den ganzen Weg habe ich mich mit dem 11-jährigen Bub unterhalten, den ich zuvor noch nie gesehen hatte. Er hat mir erzählt, dass er am Krankenhaus ein Taxi nach Hause nehme, ihn früher aber immer sein Vater dort abgeholt habe. Der ist nun allerdings im Gefängnis - er hat vor drei Wochen seine Frau, die Mutter des Jungen umgebracht. Der Junge lebt nun bei seiner Tante, seine beiden Geschwister bei den Großeltern in einer anderen Stadt. Er weiß nicht, warum der Vater die Mutter umgebracht hat. Als sich unser Weg dann getrennt hat, habe ich ihm gesagt, er soll gut nach Hause kommen und noch besser auf sich aufpassen.Es fiel mir unglaublich schwer, ihn gehen zu lassen, ich hätte ihn so gerne nach Hause gebracht. Gerade einmal 11 Jahre alt ist er!

Gut, das ist ein Einzelschicksal. So oder so ähnlich geht es den meisten Kindern im Kinderheim oder auch vielen Kindern meiner Schule, doch es war das erste Mal, dass ein Kind mir seine Geschichte erzählt hat, und das, obwohl es mich überhaupt gar nicht kennt!

Eigentlich möchte ich mich nicht in trauriger Stimmung von Euch verabschieden, deshalb folgt nun (nein, nicht das Wetter und auch nicht die Werbung) unser Plan für das Wochenende: von Freitag bis Sonntag werden wir in den Drakensbergen zelten! ich freue mich schon sehr darauf und hoffe ihr seid auch nächste Woche wieder dabei, wenn ich Euch davon Berichte! :)

Bis dahin, liebe Grüße 

Eure Jule :)