Berichte von 11/2016

30November
2016

Weihnachtsmarkt im Sommer und Hochzeit im Township

Und schon sind wieder zwei ganze Wochen vergangen und ich sollte mich doch mal wieder dran setzen und meinen werten Leserinnen und Lesern berichten:

Seit der letzten Woche hat sich unser Alltag ganz schön umgestellt: die letzten zweieinhalb Wochen vor Beginn der großen Sommer- und Weihnachsts-Ferien (paradox!) ist Examenszeit beziehungsweise undefinierbare Schüler-können-auch-daheim-bleiben-weil-Lehrer-in-der-Schulzeit-die-ach-so-anstrengenden-Examenskorrekturen-vornehmen-müssen-Zeit. Naja, die drei Exmen meiner Drittklässer in English, Mathematics und Life Skills haben jeweils den Umfang einer etwas ausführlicheren HÜ... Die Schule schliesst jedenfalls um 12 Uhr. Meine Hauptarbeit ist es, da mit dem neuen Jahr auch ein neues Schuljahr beginnt, die Lehrer bei sämtlichen Klassenzimmeraufräumarbeiten und beim Vorbereiten des Papierkram für die neuen Schüler zu unterstützen. Zwar kommt die Arbeit mit den Kindern nun etwas zu kurz, das ist aber zur Abwechslung auch mal gar nicht so schlecht.

Um 12 Uhr gehe ich -wie immer- zum Kinderheim, wo wir nach dem Mittagessen die sehr sehr heiße, sich aber auf unsere Bräune äußerst postiv auswirkende Sonne am Pool genießen. Fertig gebräunt geht es dann um 17 Uhr nach Hause, wo der Haushalt schon auf uns wartet.

Um 17 Uhr müssen wir meist ach schon wieder im Kinderheim sein, denn dann beginnt unsere Schicht am Pancake-Stand des Light Festivals, eine Art Weihachtsmarkt. Das gesamte Gelände ist mit bunten Lichtern geschmückt, es gibt Reis mit Curry, Pancakes, mmmh-Burenwurst (vorsicht, Ironie!), Getränke und zwei mal pro Woche mal mehr, mal minder brilliante Live Musik. Der Pancake-Stand liegt also in unserer verantwortungsvollen Hand. Aufgeteilt in baker (mit jeweils zwei Pfannen produzieren sie Pancakes wie am Fließband), runner (er befördert die Pancakes von den bakern zu den rollern, in einem Tempo, als ginge es um sein Leben) und eben roller (im Akkord bestreuen sie die Pancakes mit Zimt und Zucker, rollen sie "as tight as possible" und übergeben sie mit freundlichstem Lächeln dem Kunden) läuft das wie am Schnürrchen! Einzige Gefahr: teils extremer Kundenmangel, vor allem unter der Woche und damit einhergehende gähnende Leere und Langeweile... gekonnt werden diese Krisen allerdings mit Plauderründchen überwunden!

22 Uhr - Ende der Schicht - meist aber auch schon früher! Die Crew stürmt zum benachbarten Kaffee-Stand, um die letzten Reste flüssiger Wachheit abzustauben.

Am 7.Dezember beginnen dann die Ferien. Bis zum 17.12. arbeiten wir allerdings noch beim Light Festival, bevor wir einen Tag später eeeendlich in unseren heiß ersehnten, fleißig geplanten und natürlich wohl verdienten Urlaub starten. Drei Wochen lang geht es über die Drakensberge, Durban und die Garden Route nach Kapstadt. Ganz besonders freue ich mich auf ein ganz exklusives Weihachtsgeschenk, das sich quasi im Schlitten vom Weihachtsmann am Heiligen Abend zu mir nach Südafrika aufmacht: meine Familie! Ich freue mich so auf Euch, das könnt ihr Euch gar nicht vorstellen!

 

Haltet Euch fest, nun kommt ein etwas aprupter Themenwechsel: Letzten Samstag ist nämlich etwas super cooles passiert: Florah, unsere Mentorin, hat uns mitgenommen zu der Hochzeit ihrer Schwester im Township. Wir haben uns sehr darüber gefreut und wie es schien, war die Freude nicht allein unsererseits, denn sämtliche Gäste grüßten uns, schüttelten unsere Hände, umarmten uns und schossen Fotos mit uns, als einzige Weiße waren wir die Attraktion. Die Menschen sind unglaublich offen und herzlich, das halbe Township ist vor das Häuschen des Brautpaares gekommen, wo in etwas wackeligen Zelten gefeiert wurde, um die frisch Vermählten zu beglückwünschen. Es wurde gesungen, getanzt, geklatscht, geschrien! Es ist der Wahnsnn, wie man in einfachsten Verhältnissen einen solchen Tag durch Miteinander und Beisammensein und vor allem durch pure Lebensfreude  so wunderbar feiern kann. Nicht das Essen, eine teure Location, ein super DJ oder gar Alkohol waren der Schlüssel zum Gelingen der Party. Ganz einfach die Freude der Menschen brachte diese super Grundstimmung zustande! Südafrika-Feeling Pur!

Liebe Grüße aus dem viel zu heißen Potch

Eure Jule :)

14November
2016

... wenn acht Abenteuerlustige wandern gehen!

Einst trug es sich zu, dass acht wanderlustige und wagemutige junge Deutsche sich aufmachten in die großen weiten Drakensberge. 

Die Geschichte beginnt an einem sonnigen Freitag Nachmittag. Es war nicht allzu heiß und rege Vorfreude lag in der Luft, als die achtsamen Acht die beiden Autos vollzupacken versuchten. Achtsam mussten sie sein, da es jede Menge Backpacker, Schlafsäcke, zwei Zelte, Isomatten und das mit höchster Vorsicht zu verwahrende Proviant inklusive genügend Flüssigkeit, sowohl für den Tag als auch für den Abend, zu verstauen galt. 

Als die Helden des Tetris und der Packkunst es dann endlich vollbracht hatten, nicht nur das angeblich nur auf diese 3 Tage, nicht auf 3 Wochen, beschränkte Gepäck, sondern auch sich selbst in den Fahrzeugen zu verstauen, konnte die Reise gen Drakensberge beginnen! 

Das Orakel veranschlagte viereinhalb Stunden für die Strecke. Doch trotz Stoßgebeten und Opferzeremonien verschonte der Wettergott die armen Acht nicht: kurz nach Einbruch der Dunkelheit wurden sie von schweren Gewittern, den Nachthimmel hell erleuchtenden zuckenden Blitzen, schweren vom Himmel stürzenden Wassermassen und wabernden Nebelschwaden heimgesucht. Auch Nebelscheinwerfer, Fernlicht und auf Hochtouren arbeitende Scheibenwischer konnten die Sichtverhältnisse der vorsichtigen Fahrer kaum bessern. Bange Stunden für die ängstlichen Acht in ihren kleinen Autos mitten im südafrikanischen Nirgendwo.

Als die armseligen Acht dann endlich in strömendem Regen an ihrem Ziel, dem Zeltplatz Caravan, ankamen hatten sie sich bereits mit ihrem Schicksal, jeweils zu viert in je einem VW Polo zu nächtigen, abgefunden - doch alles sollte sich wenden: die Campingplatzbesitzerin überraschte sie mit einem Chalet! Dieses hatte zwar nur vier Betten, aber was soll's, dann kuschelten die anhänglichen Acht eben immer zu zweit in einem knapp einen Meter breiten Bettchen!

Dementsprechend frisch erholt wagten die abenteuerlustigen Acht sich am nächsten Morgen tief ins Innere der Drakensberge, genauer, zu den Tugela Falls. Hochmotiviert starte man den auf sieben Stunden kalkulierten Wanderweg. Die ersten zwei bis drei Stunden führte der Trampelpfad die ahnungslosen Acht immer tiefer ins Gebirge hinein, während er atemberaubende Aussichten auf das Amphitheater mit seinen schroffen steilen Felswänden, aus denen vereinzelt Wasserfälle in die Tiefe stürzten, und die umliegende Berglandschaft offenbarte, bis hin zum Tugela River. Diesem galt es nun zu folgen, um die Tugela Falls zu erreichen. Doch dies verlangte den adretten Acht ein wenig mehr ab: wagemutig sprangen sie über feuchte Felsen, um den Fluss zu überqueren, erklammen auf hölzernen Leitern steile Felshänge, hangelten sich an Wurzeln und Drahtseilen ganze Felsspalten hoch und wateten schließlich in beinahe hüfthohem Eiswasser durch den Fluss, während sie stets eine Regenflut und den Einbruch der Dunkelheit fürchteten. Nach dreieinhalb Stunden waren die athletischen Acht schließlich zur Umkehr gezwungen, die Dunkelheit würde sie sonst in den Bergen gefangen halten. Unversehrt konnten sie nach sieben Stunden ihre Autos erreichen.

Belohnt wurden die ausgemergelten Acht mit einem leckeren Abendessen in einem mehr oder weniger durch Zufall entdeckten, wunderschönen Restaurant. 

Da die Acht aber am nächsten Morgen immer noch ausgemergelt waren, stürmten sie die "Waffle Hut" und genossen den ersten richtigen Kaffee seit langer langer Zeit.

Anschließend tauchten die stets abenteuerlustigen Acht in das Land der Hobbits ein. Ziel der Wanderung ist allerdings nicht der Schicksalsberg, sondern ein wunderschöner Wasserfall und ein Pool, in dem die abgeneigten Acht, sogar ein Bad hätten nehmen können, hätte sie die Kälte nicht schon so zittern lassen.

Kurze Zeit später ging es für die Acht hinein in den wunderschönen Sonnenuntergang und zurück in Richtung Potch.

Bis zum nächsten Mal 

Eure Jule

 

P.S.: Entschuldigt meinen kleinen kreativen Schreibanfall-  Ihr kennt mich ja! Ich muss aber  zugeben, es ist wirklich alles wahr! Wir hatten ein wunderschönes, spannendes, wanderreiches und abenteuerliches Wochenende mit vielen überragenden Ausblicken. Und wir waren eine tolle Truppe, bei der wohl doch jeder ein bisschen über sich hinaus gewachsen ist! Ich glaube es, waren mit die allerschönsten Tage, die ich bis jetzt hier ins Südafrika hatte! :)

Hier noch einige Beweisfotos, damit ihr mir glaubt, wie toll es war! :P

 

09November
2016

Was gibt's Neues?

Nun will ich mich nach knapp zwei Wochen doch mal wieder bei Euch melden, der Alltag hat sich langsam eingependelt:

Die Zeit in der Schule macht mir weiterhin viel Spaß, meine Klasse wächst mir immer mehr ans Herz und so langsam lerne ich auch die etwas komplizierteren afrikanischen Namen und vor allem deren höchstkomplexe Aussprache. Während der Klang von Afrikaans meinen spitzen Ohren immer weniger fremd wird und ich mittlerweile auch die Lästerein und Erörterungen der wichtigen oder auch minder wichtigen Dinge des Lebens im Lehrerzimmer belauschen kann - ich tue natürlich gelegentlich so, als würde ich überhaaaupt nicht verstehen oder erahnen können, worüber gerade gefachsimpelt wird -, versuchen die Kinder mich fleißig in ihre Muttersprache Setswana einzuweihen. Doch hier habe ich schnell kapituliert, denn in meinem Sprachenrepertoire findet sich keine ähnliche Sprache, über die ich mir auch nur irgendetwas im Ansatz hätte herleiten können. Also doch lieber die Lehrer in Afrikaans belauschen, das klingt nämlich wie ein putziger Mix aus Englisch und Holländisch, bei dem an jedes Wort ein "i" angehängt wird.

Auch die Nahrungsaufnahme hat sich mittlerweile eingependelt: an das übertrieben gesüßte Mittagessen hat man sich gewöhnen können, nicht aber an die Abwesenheit von Brot! So backen wir nun alle paar Tage unser eigenes, sogar mit leckerer Kruste! Da war ein Salamibrot schon ein Highlight in unserer sonst sehr stark von Nudeln, Joghurt und Feta dominierten Ernährung.

Da Essen auch Dreck macht, haben wir in unserer WG kurzerhand einen Spülplan erstellt, denn die zeltlagerbewährte Jeder-spült-seinen-eigenen-Teller-Taktik ist, was ja eigentlich schon absehbar war, nicht aufgegangen. So hat man nur alle vier Tage über die Sauberkeit der Küche zu wachen. 

An den anderen Tagen bleibt dann genug Zeit, um sich mal wieder für Sporteinheiten zu motivieren, um der hier wohl einem jeden drohenden Gewichtszunahme  zumindest ein klein wenig entgegen zu wirken. Hier muss ich feststellen, ich habe mich da doch im Vergleich zu Deutschland um hundert Prozent (von null auf hundert, haha ?) gesteigert und sollte ich doch das ein oder andere Gramm mehr mit nach Deutschland bringen, ist das ganz sicher die aufgebaute Muskelmasse! ??

Doch dass ich mich hier wirklich über Luxusproblemchen auslasse, ist mir gerade auf dem heutigen Weg von der Schule zum Mittagessen im Kinderheim aufgefallen: Ich marschiere also Richtung Lunch, als mir ein kleiner Junge aus meiner Schule hinter mir auffällt. Ich habe ihn gefragt, ob er auch zum Kinderheim muss, er meinte aber, nein, er laufe zum Krankenhaus (halbe Stunde Fußweg). Den ganzen Weg habe ich mich mit dem 11-jährigen Bub unterhalten, den ich zuvor noch nie gesehen hatte. Er hat mir erzählt, dass er am Krankenhaus ein Taxi nach Hause nehme, ihn früher aber immer sein Vater dort abgeholt habe. Der ist nun allerdings im Gefängnis - er hat vor drei Wochen seine Frau, die Mutter des Jungen umgebracht. Der Junge lebt nun bei seiner Tante, seine beiden Geschwister bei den Großeltern in einer anderen Stadt. Er weiß nicht, warum der Vater die Mutter umgebracht hat. Als sich unser Weg dann getrennt hat, habe ich ihm gesagt, er soll gut nach Hause kommen und noch besser auf sich aufpassen.Es fiel mir unglaublich schwer, ihn gehen zu lassen, ich hätte ihn so gerne nach Hause gebracht. Gerade einmal 11 Jahre alt ist er!

Gut, das ist ein Einzelschicksal. So oder so ähnlich geht es den meisten Kindern im Kinderheim oder auch vielen Kindern meiner Schule, doch es war das erste Mal, dass ein Kind mir seine Geschichte erzählt hat, und das, obwohl es mich überhaupt gar nicht kennt!

Eigentlich möchte ich mich nicht in trauriger Stimmung von Euch verabschieden, deshalb folgt nun (nein, nicht das Wetter und auch nicht die Werbung) unser Plan für das Wochenende: von Freitag bis Sonntag werden wir in den Drakensbergen zelten! ich freue mich schon sehr darauf und hoffe ihr seid auch nächste Woche wieder dabei, wenn ich Euch davon Berichte! :)

Bis dahin, liebe Grüße 

Eure Jule :)